Am 13. März 1848 verlas der Arzt Adolf Fischhof im Hof des heutigen Palais Niederösterreich in der Wiener Herrengasse eine Rede. Diese erste freie Rede der Habsburgermonarchie, in der Fischhof die „verpestete Luft […], die unsere Nerven lähmt, unseren Geistesflug bannt“ anklagte, betonte er „dass die Zukunft der Dynastie an die Verbrüderung der verschiedenen Völker der Monarchie gebunden ist, und diese Verbrüderung […] mit Achtung der bestehenden Nationalitäten nur der Kitt der Konstitutionalität zustande bringen“ kann. Damit waren die Themen gesetzt: Freiheit, Mitbestimmung und eine alle Nationalitäten der Monarchie berücksichtigende Verfassung.
Der Versuch diese Forderungen in Form einer Petition an Kaiser Ferdinand I. zu übergeben, führte zur Eskalation. Die Demonstration der Bürger:innen löste bei der nervösen Obrigkeit Panik aus: Erzherzog Albrecht, der kommandierende General, erteilte den Schießbefehl. 46 Menschen starben. Noch am selben Tag dankte Fürst Metternich, der als Staatskanzler und Strippenzieher zum Symbol für das verkrustete absolutistische System und seinen Zensurapparat geworden war ab und verließ das Land. Am 15. März folgten die ersten Zugeständnisse des Kaisers: Die Abschaffung der Zensur und das Versprechen, eine Verfassung zu verabschieden.
Die Turbulenzen um die oktroyierte Märzverfassung, die ohne Beteiligung einer Volksvertretung verabschiedet wurde und daher abgelehnt wurde, sowie die gewaltsame Niederschlagung der Revolution im Oktober und die Abdankung Ferdinands I. zugunsten seines Neffen Franz Joseph I. und die mit ihm folgende Phase des Neoabsolutismus führten dazu, dass die Revolution von 1848 – mit Ausnahme der Bauernbefreiung durch Hans Kudlich – meist als gescheiterte Revolution interpretiert wird.
Doch das greift zu kurz. Im Revolutionsjahr wurde vielfach die Saat für die politische Liberalisierung gesät, die in den folgenden Jahrzehnten langsam aufkeimen sollte. Noch im Jahr 1848 wurde der erste konstituierende Reichstag eröffnet und ermöglichte frühe parlamentarische Gehversuche. Die Aufhebung der Zensur führte auch zur ersten Hochblüte der Pamphlet- und Zeitungskultur und damit zu einer ersten medialen Öffentlichkeit. Als tief im akademischen und ökonomischen Bürgertum verwurzelte Bewegung hinterließ der Liberalismus darüber hinaus auch wortwörtlich politische Spuren, da die Expansion der staatlichen Aufgaben auf juristisch gebildete Beamte angewiesen war, die sich häufig als liberal verstanden. So kam es noch während des Neoabsolutismus zur teilweisen Umsetzung liberaler Politik, etwa durch die Gewährung der Hochschul-Autonomie unter dem Unterrichtsminister Leo Thun-Hohenstein. Der Neoabsolutismus endete 1867 mit dem Erlass der so genannten Dezemberverfassung. Sie definierte nicht nur die Gleichheit vor dem Gesetz, die Personenfreizügigkeit, Eigentumsrechte und fundamentale bürgerliche Freiheiten, sondern auch die Gleichberechtigung aller Völker der Habsburgermonarchie.
Nach dem Ende des Neoabsolutismus 1867 fanden sich in der Folge einige Akteure der Revolution in wichtigen politischen Positionen wieder und begründeten so die im engeren Sinne liberale Ära in Wien und in der Westhälfte der Habsburgermonarchie. Diese Regierungen – als „Bürgerministerium“ bezeichnet – verabschiedeten wesentliche Gesetze, deren Folgen zum Teil bis heute spürbar sind: In der Bildungspolitik, beim Verhältnis Staat-Kirche und bei der Frage der Rechtsstaatlichkeit.
- Das Reichsvolksschulgesetz (1869) verlängerte die Schulpflicht von sechs auf acht Jahren, begrenzte die Schüler:innenzahl pro Klasse, Entzog die Aufsicht über das Schulsystem der Kirche, unterstellte dieses komplett der staatlichen Aufsicht und führte als weiterführende Schule die Bürgerschule ein, die auch von Mädchen besucht werden konnte.
- Die Ehegerichtsbarkeit wurde ebenfalls der Kirche entzogen und den staatlichen Gerichten überantwortet, die Konfessionen wurden formal gleichberechtigt und 1870 schließlich das Konkordat aufgekündigt. Darüber hinaus konnte nun ab dem 14. Lebensjahr das Religionsbekenntnis – darunter auch die Angabe „ohne Bekenntnis“ – selbst entschieden werden.
- 1871 wurde – vor allem wegen des Engagements des Ministers Joseph Unger – der Verwaltungsgerichtshof geschaffen.
Vielsagend sind jedoch auch jene Reformpläne, die scheiterten. Nicht nur, dass die liberalen Politiker Eduard Herbst, Eugen Mühlfeld und Ignaz Kuranda vehement, aber erfolglos, für die Aufhebung der Todesstrafe eintraten, gab es durch den Justizminister Emanuel Komers auch erstmalig den Vorschlag, Homosexualität zu entkriminalisieren.