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Eintauchen in die Frauengeschichte der Brigittenau

Petra Unger lässt uns die Brigittenau durch andere Augen sehen

Frauenspaziergang Brigittenau

Gestartet haben wir bei der Brigittakirche, wo Helene Kafka Erstkommunion und Firmung feierte, Rosa Jochmann getauft wurde und Erna Musig heiratete. Helene Kafka war Schwester im Franziskanerinnenorden und arbeitete als Krankenschwester. Ihr Ordensname war Schwester Maria Resituta, sie wurde aber aufgrund ihrer bestimmenden Art auch gern Schwester Maria Resoluta genannt. Sie äußerte sich klar gegen das NS-Regime, weigerte sich, die Kruzifixe in den Operationssälen abzuhängen und vervielfältigte das regimefeindliche „Soldatenlied“, was schlussendlich dazu führte, dass sie zum Tode verurteilt und 1943 hingerichtet wurde.

Rosa Jochmann war die rechte Hand der sozialistischen Politikerin und Frauenrechtlerin Adelheid Popp. Ab 1943 arbeitete sie im Untergrund unter dem Decknamen Josephine Drechsler gegen das NS-Regime. 1940 wurde sie ins Frauenkonzentrationslager Ravensbrück deportiert, aus dem sie erst nach der Befreiung durch die russischen Truppen wieder zurückkehrte. Von 1945 bis 1967 war sie Abgeordnete zum Nationalrat und Mitglied des Parteivorstandes der Sozialdemokraten. Ab 1945 fungierte sie zudem als Frauen-Zentralsekretärin und im Jahr 1967 als Vorsitzende des Frauen-Zentralkomitees der SPÖ.

Die sozialistische Widerstandskämpferin Erna Musik wurde 1944 nach Auschwitz-Birkenau deportiert, wo sie immer noch nach allen Möglichkeiten anderen Frauen half. 1945 kehrte sie zurück und übernahm die Weißnäherei ihrer Mutter. Sie wurde Bezirksrätin in der Brigittenau und nahm bis 1955 an Volksgerichten teil.

Ein paar Schritte von der Brigittakirche entfernt haben wir uns den „Sitzenden Eisbären“ der Bildhauerin Gertrude Fronius angesehen. Für die Errichtung solcher Kunstwerke von kleineren Künstler:innen wurde früher beim Bau von Gemeindewohnungen ein gewisses Budget vorgesehen und sie können über ganz Wien verteilt gefunden werden. 

Unser nächster Stopp war die Gedenktafel „Kündigungsgrund Nichtarier“ am Georg-Schmiedel-Hof, die daran erinnert, dass während der NS-Zeit jüdische Familien aus Gemeindebauten vertrieben und anschließend ermordet wurden. Unter ihnen waren der Brigittenauer Bezirksrat Philip Rottenberg und seine Frau Fanni

Frauenspaziergang Brigittenau_2

Von dort ging es weiter in die Kluckygasse 11-13. Dass hier einmal eine Synagoge stand, erkennt man heute nur noch an der Gedenktafel und den Lichtinstallationen in Form von Davidsternen, die kennzeichnend an Stelle von Straßenlaternen vor der ehemaligen Synagoge stehen. Sie wurde während der Novemberpogrome 1938 zerstört. Auch bei diesem Gebäude findet sich heute eine Kunstinstallation über dem Hauseingang, die von einer Künstlerin angefertigt wurde.

Unser nächster Halt war die Mittelschule in der Staudingergasse 6, wo früher ein jüdisches Gymnasium beheimatet war. Hier unterrichtete unter anderem die begeisterte Sozialdemokratin Stella Klein-Löw. Unter dem NS-Regime wurden jüdische Schüler:innen schrittweise vom öffentlichen Schulsystem ausgeschlossen und 1938 wurde das Gymnasium geschlossen. Klein-Löw hielt als Lehrerin bis zum Schluss die Stellung und floh 1939 nach England. 1946 kehrte sie nach Österreich zurück und war in Wien maßgeblich am Aufbau der Nachkriegs-SPÖ beteiligt.

Von hier überquerten wir einmal die Straße und befanden uns vor einer Gedenktafel, die an die jüdische Schriftstellerin und Sozialistin Else Feldmann erinnert. In ihrem Roman „Löwenzahn“ berichtete sie unter anderem erstmals vom damals weit verbreiteten Proletarierelend in der Brigittenau. Sie setzte sich stark dafür ein, vor allem Kindern ein Leben unter besseren Umständen zu ermöglichen. 1942 wurde sie ins Vernichtungslager Sobibór deportiert und ermordet.

Wir gingen weiter in die Jägerstraße 33, wo sich einmal ein Hutgeschäft befand. Die jüdische Geschäftsinhaberin Ella Czecher wurde unter dem NS-Regime gezwungen, ihren Betrieb zu arisieren. Zuerst weigerte sie sich strikt, musste aber irgendwann nachgeben.

Unser nächster Stopp war das Vindobona, wo früher – wie es damals vor der Zeit der großen Kinos üblich war – in einem kleinen Hinterzimmer Filme gezeigt wurden. Hier konnten Filmliebhaber:innen vor der NS-Zeit Tickets für Filme wie „Ekstase“ oder „Dreigroschenoper“ mit den gebürtigen Wiener Schauspielerinnen Hedy Lamarr und Lotte Lenya ergattern.

Unser letzter Aufenthalt war das Gymnasium am Augarten. Hier befindet sich die Gedenkstätte Karajangasse, die an die dunkle Vergangenheit des Schulgebäudes, das zeitweilig zum Gestapo-Anhaltelager umfunktioniert wurde, erinnert. Hier unterrichtete unter anderem Irma Trksak, die unter der nationalsozialistischen Herrschaft aufgrund ihrer tschechoslowakischen Herkunft verfolgt wurde. Sie war begeisterte Turnerin und schloss sich durch ihren Tschechoslowakischen Turnverein der größten tschechischen Widerstandsgruppe gegen die Nationalsozialisten an. 1942 wurde sie ins KZ Ravensbrück deportiert, aus dem sie 1945 fliehen konnte. Nach ihrer Rückkehr nach Wien trat sie der Kommunistischen Partei bei.

Wir möchten uns nochmal bei Petra Unger für den wunderbaren Spaziergang bedanken. Wir durften die Brigittenau von einer ganz neuen Seite kennenlernen und haben viel zum Nachdenken mit auf den Weg bekommen.

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